Rechtsanwaltsblog

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Rückwirkung der Abschaffung des Pflegeregresses

Dienstag, Juni 26, 2018

Seit 1. Jänner 2018 ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben und Geschenknehmern zur Abdeckung der Pflegekosten nicht mehr zulässig. Der Staat darf ab diesem Zeitpunkt somit grundsätzlich nur noch auf laufende Einkünfte und Sozialleistungen zurückgreifen.

Mit Entscheidung vom 30. April 2018 (1 Ob 62/18a) hatte kürzlich der Oberste Gerichtshof über die Rückwirkung der Abschaffung des Pflegeregresses auf Leistungen des Sozialhilfeträgers vor dem 1. Jänner 2018 zu befinden.

Der Fond Soziales Wien begehrte mit Klage den Ersatz von vor dem 1. Jänner 2018 entstandenen Pflege- und Betreuungskosten. Das Erstgericht, das seine Entscheidung noch vor dem 1. Jänner 2018 traf, gab der Klage statt. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, weil mit 1. Jänner 2018 der Pflegeregress abgeschafft worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rechtsmittel des Fond Soziales Wien keine Folge, weil das Verbot des Pflegeregresses auch bei vor dem 1. Jänner 2018 erbrachten Leistungen gilt und die geänderte Rechtslage in jeder Lage des Verfahrens – auch im Rechtsmittelverfahren – von Amts wegen anzuwenden ist.

Gesetzesänderungen wirken­ – sofern nicht durch eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung durchbrochen – grundsätzlich nicht zurück. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes stellt nun klar, dass die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung der §§ 707a Abs 2 ASVG und § 330a ASVG eine solche Rückwirkungsanordnung enthält und daher auch bereits vor dem 1. Jänner 2018 verwirklichte Sachverhalte erfasst.

Ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist, ist grundsätzlich nach den bedeutsamen Übergangsbestimmungen zu beurteilen. Bestimmt das Übergangsrecht nicht etwas anderes, sind jedoch Änderungen der Rechtslage ohne Weiteres von Amts wegen der Entscheidung zugrundezulegen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde.

Weil die Rechtsgrundlage für den behaupteten Anspruch – wenn auch erst nachträglich im laufenden Verfahren – wegfällt, sind derartige Klagebegehren abzuweisen.

Ob auch die Durchsetzung von vor dem 1. Jänner 2018 bereits zu Recht erkannter Ansprüche vom Regressverbot erfasst ist, bleibt – da vom Obersten Gerichtshof nicht untersucht – offen.

Ebenso wird zu klären sein, was mit all jenen geschieht, die im Laufe des heurigen Jahres derartigen Pflegeforderungen nachkamen und bereits zahlten. Hier wird mit mit etlichen Klagen zu rechnen sein.

Dieses heikle Thema zeigt erneut, wie wichtig die Festschreibung guter und verständlicher Gesetzestexte sowie bei Änderungen der bestehenden Rechtslage auch entsprechender Übergangsbestimmungen ist.

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